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Rede von Dr. Edit Rőder, Mitglied des Kuratoriums, zum Gedenken an den verstorbenen Vorsitzenden Miklós Szabolcsi
(gehalten im Rahmen der Feierlichkeit zur Verleihung der Stipendien der Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
am 18. Dezember 2000)


Sehr verehrte Gäste! Liebe Freunde!

Die Ausschreibung für die Übersetzungsstipendien, die der Grund für unsere heutige Feierlichkeit zur Verleihung ist, haben wir noch gemeinsam mit unserem geschätzten Vorsitzenden der Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Dr. Miklós Szabolcsi, vorgenommen, doch schmerzt es sehr, dass er bei unserer Feierlichkeit nicht mehr zugegen sein kann, da er am 2. September 2000 verstorben ist. Wie an jedem Abend, so schlug ich auch an diesem Tag das Tagebuch von Milán Füst an einer beliebigen Stelle auf, und es öffnete sich auf der Seite 627, bei einem Eintrag vom 16. April 1921. Ich zitiere:

„Armes Opfer, hierhin geworfen, damit sein Leben vergeht – unschuldig muss es die Strafe ertragen – dass es zwischen seinen Fingern verrinnt – und es kann nichts dagegen tun. Wie schwindendes Licht, so ungreifbar ist das Leben.“

Beim Lesen dieses Eintrags hatte ich das Gefühl, und habe es auch heute noch, dass Milán Füst mir eine Botschaft zukommen ließ, da er auch ein Magier war, so konnte er das…

Ich glaube nicht, den Lebensweg, die wissenschaftliche Arbeit von Dr. Miklós Szabolcsi würdigen zu müssen, dies haben kompetentere Personen, als ich es bin, bereits getan. Doch bedeutet es für uns ein moralisches Gebot, uns an jene 12 Jahre zu erinnern, die wir an der Seite unseres Vorsitzenden Miklós Szabolcsi als Kuratoren der Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung verbracht haben.

Vor 1988 kannten wir einander persönlich nicht, obschon wir von der Tätigkeit des anderen wussten und einen gemeinsamen Berührungspunkt hatten: Alle drei kannten wir Milán Füst und seine Ehefrau Erzsébet Helfer persönlich und schätzten beide sehr.

Es ist zwar ein Gemeinplatz, doch wahr: der größte Dramaturg ist das Leben, das es so wollte, dass Frau Erzsébet Helfer mir am 17. Mai 1982 den Stift in die Hand gab, mit dem ich die Verpflichtung zu gemeinnützigen Zwecken, ihr Testament, niederschrieb, in dem sie über die Gründung der Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung verfügte und damit unsere bis dahin getrennt verlaufenden Lebenswege, meinen, jenen Miklós Szabolcsis und Dr. György Boythas, miteinander verband.

Erlauben Sie mir, einige der Öffentlichkeit bislang unbekannte Zeilen aus dieser Verpflichtung zu gemeinnützigen Zwecken vorzulesen:

„Als Ehefrau von Milán Füst, dem mit dem Kossuth-Preis ausgezeichneten Dichter, Prosaisten und Essayisten, war mein Leben von Lyrik, von Literatur erfüllt. Ich konnte am Entstehen von Meisterwerken und ihrem Nachleben teilhaben: am Unverständnis, am Schweigen und am Erfolg gleichermaßen. Nur an einer einzigen Sache hatte ich nicht teil, denn diese fehlte aus dem Leben von Milán Füst, an der Anspruchslosigkeit, dem Opportunismus!

Die ungarische Lyrik und Prosaliteratur können sich solcher Größen rühmen, die nicht nur der ungarischen Nation, sondern der ganzen Welt etwas zu sagen hatten und haben. Diese Botschaft ist für das ungarische Volk heute bereits verständlich, zugänglich, denn die Dichtung, die Literatur sind zu einem derart besonderen Gemeingut geworden, das unser Leben umso mehr bereichert, je mehr wir daraus schöpfen. Ist aber unsere Dichtung, unsere Literatur für die europäischen Nationen und jene außerhalb Europas verständlich und zugänglich?

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht meine Aufgabe. Doch ist es meine Aufgabe, das Verständnis und die Zugänglichkeit in der Weise zu fördern, dass ich im Falle meines Todes mein gesamtes Vermögen der den Namen Milán Füsts tragenden Stiftung für Übersetzungsförderung spende.“


Als Depositar der Hinterlassenschaft bestimmte Erzsébet Helfer die Ungarische Akademie der Wissenschaften.

Die Ungarische Akademie der Wissenschaften hat entsprechend der Spende von Erzsébet Helfer, der Witwe Milán Füsts, und ihres Testaments aus ihrem gesamten Vermögen nach ihrem Tod im Jahr 1988 die Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung gegründet und Dr. Miklós Szabolcsi, Mitglied der Akademie, zum Vorsitzenden ernannt, der dieses Amt bis zu seinem Tod bekleidete.

Aufgrund unserer Arbeitsteilung im Kuratorium war es der Vorsitzende Miklós Szabolcsi, der die alle zwei Jahre ansteigende Zahl von Bewerbungen für das Übersetzungsstipendium studierte, er kannte die international bedeutenden Übersetzer, deren Arbeit und übersetzerische Qualität und unterbreitete dem Kuratorium fachlich begründete Vorschläge. Dank der niveauvollen Arbeit Miklós Szabolcsis bedeuteten der Milán-Füst-Preis sowie das Übersetzungsstipendium für die Ausgezeichneten einen Rang, womit die Arbeit der Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung nicht nur in Europa, doch auch in den Ländern außerhalb Europas bekannt wurde und Anerkennung fand.

Das Ziel Erzsébet Helfers war erreicht.
Der gute Ruf der Stiftung, ihre Anerkennung führten dazu, dass der damalige Vorsitzende der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Domokos Kosáry, am 15. April 1992 in einem Brief an Miklós Szabolcsi sein Einverständnis dazu gab, dass der Name der Stiftung „Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften“ lauten durfte. Als dem Namensgeber unseres vollständigen Namens erweisen wir Domokos Kosáry, dem ehemaligen Vorsitzenden der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, unsere Ehre und sprechen Miklós Szabolcsi unseren Dank für seine Arbeit aus, mit der er zu dieser Anerkennung beigetragen hat.

Wir danken Miklós Szabolcsi für seine Freundschaft, dafür, dass er eine Atmosphäre geschaffen hat, die ermöglichte, dass aus der Anerkennung der Arbeit des anderen, dem Respekt seiner Persönlichkeit gegenüber eine Freundschaft entstehen konnte, die wahrhaftig eine der edelsten Gefühle des Herzens ist und die auch der Tod nicht zu erlöschen vermag, nur zur Erinnerung werden lässt.

Miklós Szabolcsi feierte 1996 seinen 75. Geburtstag, zu dem wir ihm einen Füllfederhalter schenkten, auf den wir schreiben ließen: „Es gratuliert Ihnen Milán Füst“. Er freute sich sehr, war von unserer Aufmerksamkeit gerührt.

Miklós Szabolcsi war eine charismatische Persönlichkeit. Betrat er einen Raum, so musste man ihm – ohne dass er etwas gesagt hätte – Aufmerksamkeit schenken. Er strahlte Wissen, Verständnis, Bildung aus, war wie ein Licht, und wenn er erst zu sprechen begann!

Es ist kaum ein Jahr her, dass Miklós Szabolcsi in diesem Saal, am Tag des Buches 1999, das Vollständige Tagebuch von Milán Füst vorgestellt hat. Es kann nicht wiedergegeben werden, wie er über das Vollständige Tagebuch, über Milán Füst, seine Zeit und die Zeitgenossen sprach. Darüber, dass das Vollständige Tagebuch einen der Schlüssel zum Lebenswerk von Milán Füst bedeute und zugleich eine Referenz zur ungarischen Literatur des 20. Jahrhunderts darstelle, ein vielschichtiges, reiches Bekenntnis von 2000 Seiten, ein Werk, das den Wert einer Quelle besitzt, gewissermaßen eine Art geheimer Geschichte der ungarischen Literatur.

„Doch den Großteil des Tagebuches – betonte Miklós Szabolcsi – umfassen die Kämpfe, das Ringen seines inneren Lebens, die vielseitigen Gefechte, die er mit sich selbst austrug. Das Werk ist der Spiegel eines beängstigenden, mit dem Leben, der Krankheit und bereits sehr früh mit dem Tod geführten Kampfes.“

Ich fahre nicht fort, denn wie gesagt, ist die Würdigung der Arbeit Miklós Szabolcsis nicht meine Aufgabe. Die Präsentation des Vollständigen Tagebuchs von Milán Füst war ein frei vorgetragener Essay Miklós Szabolcsis, der das Publikum überwältigte. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer inspirierte den Vortragenden, um aus seinem reichen Fundus an Gedanken und Kenntnissen noch mehr zu geben.

Als ich diese Zeilen schrieb, wurde mir bewusst, was der Zauber des Vortragenden, die Wirkung des von ihm dargebotenen künstlerischen Erlebnisses damals verdeckte: nämlich dass die Präsentation des Vollständigen Tagebuches nichts anderes war als der Protest Miklós Szabolcsis gegen die Vergänglichkeit.

„Das schönste und edelste Ergebnis unseres Protestes gegen die Vergänglichkeit ist in uns gerade die Kunst“ – schrieb Milán Füst in seinem Werk Vision und Emotion in der Kunst.

Lassen Sie uns Milán Füst glauben, er war ein großer Denker und Philosoph!

Der ausgezeichnete Schauspieler und Freund Miklós Szabolcsis, György Kézdy, wird zwei Gedichte rezitieren.

Eines davon ist das Gedicht Besinnung von Attila József, das Miklós Szabolcsi besonders mochte und über das er ein Buch verfasst hat. Er hielt es für wichtig zu betonen, dass der Titel das Besinnen, den Blick auf die Welt, bedeutet. Die im letzten Abschnitt des Gedichtes erscheinende Haltung des in seiner Zeit alles beobachtenden, alles aufzeichnenden Zeugen stand ihm besonders nahe:

„So durch das ewge Einerlei
der Nacht erhellte Tage jagen
und ich im Lichte jedes Wagens
steh da und lehn mich an und schweig.“


Das andere Gedicht ist Das Alter von Milán Füst. Meine Wahl fiel deshalb auf dieses Gedicht, weil wir dies mehrmals im unvergesslichen Vortrag von Milán Füst hören durften, wie er „Aischylosflüche geschleudert auf den, der altern den Mensch macht“, und auch aus jenem Grund habe ich dieses Gedicht gewählt, denn nach den vergeblichen Flüchen des alten Griechen des Gedichts

„… ging er halt fort – still wurde es schließlich
in jener Gegend.
Doch auch in seinem Herz war dann nichts als Stille, vergessen
wir's nicht, und war ein andres, noch größeres Lauschen.
Und um sein Haupt war matter Dämmerschein.


Lieber Miklós Szabolcsi, Es nimmt von Ihnen Abschied Milán Füst!

Thomas von Aquin sagt in einer seiner logischen Ableitungen zur Bestimmung der göttlichen Macht, es sei selbst Gott unmöglich, dass das, was vergangen, nie gewesen sein solle.

Lieber Freund, Miklós Szabolcsi!

Wir, die wir an dieser Gedenkfeier zugegen sind, bewahren als Widerlegung der Vergänglichkeit die Erinnerung an dich, danken dir für deine Freundschaft, deine Liebe und Weisheit.

Im Namen der Milán-Füst-Stiftung für Übersetzungsförderung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften sage ich: Gott sei mit dir!