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PFLEGE DES SCHRIFTSTELLERISCHEN LEBENSWERKES VON MILÁN FÜST
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Vorwort zur Romans Die Geschichte meiner Frau

Vorwort zur New Yorker Ausgabe des Romans Die Geschichte meiner Frau (1987)

„Die Geschichte meiner Frau“ ist die Geschichte des Mannes. Des Holländers Kapitän Störr, der im Laufe des Romans zu einer zunehmend gewichtigeren Person wird: Er wiegt zweihundertdreißig Pfund. Auch Milán Füst war kein Schwächling; er war ein großer, breitschultriger Mann. Kapitan Störr ist allerdings ein noch prächtigeres Exemplar. Er betrachtet die anderen mit der wohlwollenden Ruhe kräftiger Menschen, mal herablassend, mal kindlich bewundernd, doch ein wenig gleichgültig.

Nicht so wie der Autor, den seine Bekannten mit dem Propheten Joel von Michelangelo verglichen. Er ließ sich zu wilden Emotionsausbrüchen hinreißen, war tyrannisch, in dem einen Augenblick ein wahrer Seher, im anderen ein großer Schauspieler, der einen Seher spielt. Sanftmütig wie Kapitän Störr war er nicht. Auch in seinem Humor schwelgte er und konnte wunderbar weinen. Wann immer er nur wollte, brach er in Tränen aus. Er war ergreifend und furchtbar grob. Wer den Namen von Marcel Proust oder Thomas Mann in seinem Haus anerkennend aussprach, dem wies er die Tür. Entweder du huldigst oder gehst. Tolstoi, ja, Shakespeare, ja, und noch ein, zwei junge Schriftstellerfreunde. Milán Füst warf nicht mit Würdigungen um sich.

*

In diesem Roman ist der Ehemann sehr männlich, die Ehefrau sehr weiblich. Von der Frau wissen wir nur das, was der Mann über sie erzählt, doch dieser Mann schreibt über sich selbst ausführlicher als über seine Ehefrau. Die Frau ist klein, hübsch, ein bisschen mollig, herausgeputzt, träumerisch und undurchschaubar. Sie weiß etwas, was ihr großer derber Mann nicht weiß, nur herausbekommen möchte. Dieser ungehobelte Holzklotz mimt den Unaufmerksamen und Unsensiblen, dabei ist er überaus aufmerksam und sensibel. Er macht zahlreiche, feine narzistische Beobachtungen an sich selbst, sieht seine flüchtigen körperlichen Stimmungen, seine körperliche Verfassung, im Grunde genommen das, ob es eine Inspiration gibt oder nicht.

Er kann auch erahnen und fantasieren, aus kleinen Fakten einen ganzen großen Roman aufbauen, der zusammenhängend, vorstellbar ist und dessen Wesentliches darin liegt, dass diese herausgeputzte und unordentliche kleine Frau vielleicht auch einem anderen den Kopf verdreht, oder was noch schlimmer ist, sich von einem anderen den Kopf verdrehen lässt.

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Kapitän Störr, in Besitz seiner Kräfte und Erfahrungen, hält von den anderen nicht allzu viel. Als er sich aber als reifer Mann bereits verliebt, büßt er mit Eifersucht. Die schattige Seite der Liebe, die Eifersucht, martert ihn und verstärkt sich mit seiner Liebe verhältnisgeich zu einer paranoiden Manie. In der Literatur zur Eifersucht ist der Roman von Milán Füst ein grundlegendes Werk.

Diese mächtige und unumgängliche Leidenschaft entfaltet sich vor unseren Augen in all ihrer Pracht. Wenn ein solcher Bär von Mensch Gespenster sieht, dann ist das viel interessanter, als wenn ein schmächtiges Männlein eifersüchtig wäre. Sich zu verlieben, bedeutet – so könnten wir mit Milán Füst meinen – so viel, wie uns selbst zu den Qualen der Eifersucht zu verurteilen. Dass Gott nicht eifersüchtig wäre, nur der Mensch? Jehova ist eifersüchtig und Jesus ist es auch. Verlasse für mich Vater und Mutter.

Der Verliebte will mit seinem Partner ganz und gar alleine sein, doch weiß er, dies ist unmöglich, denn der Mensch braucht immer mehr. Auch der eifersüchtige Verliebte braucht mehr.

Kapitän Störr wird geliebt; in einer solchen Situation geht es einem gut. Liebeskapital wird in ihn investiert, und das Kapital vermehrt sich. Das Objekt der Liebe entflammt Liebe: Wer von vielen geliebt wird, den würde jeder lieben. Kapitän Störr strahlt also. Die Frauen umgeben ihn. Ein feines vornehmes britisches Mädchen und ein reifer schwarzer Vogel, die Geliebte seines Freundes und Arbeitgebers. Der flotte Kapitän küsst beide. Er lässt sie wissen, dass nichts anderes passieren wird. Kapitän Störr aber hat das Gefühl, seine Ehefrau betrogen zu haben, doch erträgt er die Qualen seiner Gewissensbisse recht gut.

Er möchte seine Frau sogar umbringen. Doch tut er es nicht. Er will sich von ihr befreien. Sie entlarven. Und hat er sie enttarnt, dann bringt er sie entweder um oder nicht, doch lässt er sie auf jeden Fall sitzen. Besser, wenn die Frau in dem Moment, in dem er sie ertappt, auch stiehlt oder zu stehlen scheint. Dann kann man sie noch besser sitzen lassen, dann kann man das abwerfen, woran Kapitän Störr derart erkrankt ist, dass nicht einmal mehr sein Appetit der alte zu sein scheint.

Denn vor den Frauen fürchtet sich dieser Seebär. Die Frauen sind süß, goldig, ein liebenswertes, kleines Spielzeug. Als Fleischberg ist er da, der Kapitän. Mit den Frauen will er wie mit Puppen spielen. Natürlich mag er auch die Wildkatze, wenn sie nach seiner Hand schnappt oder versucht, ihn in den Hals zu beißen. Einen solchen Mann erklären die Feministinnen für schrecklich grob und schlüpfen dann mit ihm ins Bett. Sie lassen sich von seiner Wärme anziehen. So muss der Held eines Liebesromans, also eines Eifersuchtromans sein.

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Was anderes sollte – schon jenseits eines halben Menschenlebens – von 1935 bis 1942 sieben Jahre hindurch, mit angespannter Arbeit, eingeschlossen in sein Arbeitszimmer in einer Budapester Villa mit Garten ein arbeitsloser jüdischer Professor schreiben, in Zusammenhang mit dessen dünnem Lyrikband die Dichterfreunde die Attribute groß, universal, kosmisch verwenden, den spätere Generationen als den götzenhaften Ahnen der formschaffenden Avantgarde betrachten. Der Meister, der zwanzig Jahre hindurch die Stille Tolstois studierte, dieser ware Profi, der die Geheimnisse der erzählenden Prosa erforschte wie der Maler oder Komponist sein eigenes Material, der Meister verlässt sein Haus für Jahre nicht.

Er war ein armer Junge, wohnte mit seiner Mutter in einer Wohnung zum Hof, begann in der Küche zu schreiben, atmete im Kaffeehaus auf, wurde Jurist und Lehrer, gab seine Bücher auf eigene Kosten heraus, seine einstige Schülerin und spätere Geschäftsfrau, seine Ehefrau, jedoch liebt ihn treu, vergöttert und unterhält ihn. In den Zimmern edle Möbel, an den Wänden die Bilder guter Maler, es lohnt nicht hinauszugehen; nicht einmal zum Einkaufen verlässt er den Garten.

Er sieht nur den, der ihn besucht. Eine innere Emigration in den Flaubertschen Kunstsinn und die ästhetische Gründlichkeit. Ein gelehrter Ästhet und ein großer Dichter schreibt den Roman im Alter von fünfzig Jahren. Man versteht ihn nicht, wenige würdigen ihn, von geschäftlichem Erfolg kann keine Rede sein; er hat Zeit, ein Meisterwerk zu schreiben.

Als der Roman erscheint, wird er kaum wahrgenommen, erst langsam kommen die verständigen Leser auf den Geschmack dieses edlen Stoffes. Nach zwanzig Jahren erst wird der Roman entdeckt, der Reihe nach erscheint er auf französisch, deutsch, italienisch und überall in Mitteleuropa. Der Verfasser war 1967 – im Alter von neunundsiebzig Jahren – angeblich für den Nobelpreis für Literatur nominiert, doch sein Tod kam der schwedischen Akademie zuvor.

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In den Jahren, in denen er sich in diesen Roman vergrub, warf er manchmal einen Blick in die Zeitungen: der Zweite Weltkrieg nahte, die Judengesetze entstanden, die Schlinge zieht sich zu.

Der Meister wendet den Blick ab. Er schützt sich gegen den Skandal, indem er ihn nicht zur Kenntnis nimmt. Statt dieser Welt erschafft er eine andere, in der es um echte Gefühle geht. Die Literatur muss vor der Politik geschützt werden, sowohl vor der rechten als auch vor der linken. Die Literatur muss vor den abstrakten Allgemeinheiten geschützt werden. Ein solcher Mensch befiehlt sich dies selbst, der es liebt, sich in seinen Tagebüchern philosophierend in die abstrakten Allgemeinheiten hinüberzubegeben. Das unverdorbene Menschliche muss gefasst werden.

Dies findet Milán Füst – auf ironische Weise – in der Eifersucht, in dieser abstrakten Leidenschaft, die, obschon sie nach gegenständlichen Indizien sucht, doch nur einem körperlosen Albtraum hinterherjagt, die Vertreibung aus dem Paradies sorgsam im Vorhinein erträumt.

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Gegeben ist die Ohnmacht: Wir kennen denjenigen nicht, den wir im biblischen Sinne des Wortes kennen gelernt haben und mit dem wir beständig Bekanntschaft machen. Die Ehefrau ist für den Ehemann undurchdringlich. Wir wissen, dass, wie wir selbst sterben, so auch diese Liebe sterben wird, doch dann lasst uns endlich das Ende sehen! Wenn sie sterben muss, dann soll sie jetzt sterben! Wir sehnen uns nach Ordnung, nach Geschichten mit Anfang und Ende, und so beenden wir unsere eigenen Geschichten auch, geben ihnen ein Ende, aus reinem ästhetischen Ordnungsempfinden heraus.

Je verliebter man ist, umso mehr will man das Ende sehen. Damit man nicht derart ausgeliefert ist. Der eifersüchtige Schiffskapitän leidet darunter, lieben zu müssen. Er leidet darunter, gefangen zu sein, denn draußen auf dem Meer, wo es nicht irgendwelche Fräulein gibt, wo man transportieren muss und am Leben bleiben, draußen auf dem Meer, da ist die Wirklichkeit, doch hier auf dem Festland, im Zuhause des verheirateten Mannes, in diesem kleinen Liebesnest in London oder Paris gibt es keine Wirklichkeit, hier verirren wir uns in die Welt der verdächtigen Blendungen, und vergebens bist du ein schwerer Bursche, du entkommst dem nicht, gebeugt zu werden, für das Paradies musst du büßen.

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Da hat dieser große verrückte Mann ein gute kleine Ehefrau, doch er glaubt, sie sei nicht gut. Ein feines Buch ist das. Denn vielleicht ist diese Lizzy ein kleines bisschen untreu, aber vielleicht ist sie es auch überhaupt nicht. Kapitän Störr aber bildet sich ein, sie sei skandalös untreu. Und sie könne so intrigant sein, dass sie ihre Exzesse damit tarnt, zu Hause herumzusitzen. Man kann es so oder so sehen. Den Kapitän beschäftigt, dass zu jedem Blickpunkt auch ein anderes Bild gehört und beide gleichermaßen wahr oder eine Täuschung sein können. Das ist der Humor des Meisters, der Relativismus eines großen Ungeheuers.

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Milán Füst konnte mit jenem wirren Sumpf, dem Ungarn der dreißiger Jahre und innerhalb dessen seiner Situation, nichts anfangen. Er wollte nach Paris, London, in normale, bürgerliche Gefilde. Aus Budapest sehnten sich damals die Juden dorthin, Amerika war zu weit, Paris hingegen zu nah. So blieben sie in Budapest.

Ein ungarisch-jüdischer Dichter entscheidet sich, als alles zerbröckelt und zu Staub zerfällt, eine runde, kompakte Sache zu machen, er hebt sein Arbeitsstück, seinen Roman aus dieser klebrig-stechenden Masse und emigriert wenigstens auf dem Papier dorthin, wo er sich damit beschäftigen kann, was ihn interessiert: mit der Kunst, wo der Mensch sein Buch nicht bis aufs Blut, mit dem Schicksal schreiben muss, dorthin, wo die künstlerische Aufgabe im Labor entsteht: ein musikalisches Thema in vier Sätzen zu entfalten, natürlich mit hektischen Wellenlinien.

Milán Füst konnte sich nichts Besseres ausdenken, er emigrierte in seinen Roman. In einer dreckigen Zeit wollte er einen reinen Roman schreiben, und dies ist ihm auch gelungen. „Die Geschichte meiner Frau“ ist ein reiner Roman. Sieben Jahre lang konnte der Verfasser in seiner Arbeit hausen. Dann musste er ihn beenden. Vielleicht hat er ihn zu lang geschrieben. Er wusste schon alles über die Monomanie, die Egomanie, was notwendigerweise verdächtig ist. Er lauerte darauf, verletzt zu werden. Der Löwe faucht seine Umwelt mürrisch an und wartet, laut brüllen zu können, lauert auf den Augenblick, in dem er endlich mit seiner Löwentatze ordentlich zuschlagen kann.

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Milán Füst war nie in Holland, und auch in Paris und London war er nicht. Der Held des Romans ist ein holländischer Seemann, die Schauplätze hingegen sind Paris und London. Im Roman kommen das Leben in Holland, das Pariser und Londoner Umfeld nicht zur Rede. Am ehesten geht es nur darum, ob die Ehefrau den vorübergehend arbeitslosen Schiffskapitän wohl betrügt oder nicht. Der Kapitän ist bereits über vierzig, bei Weitem nicht mehr jungfräulich, doch hat er sich jetzt das erste Mal verliebt, und die Frau, in die er sich verliebt hat, die hat er sogleich geheiratet.

Ein Anfänger mittleren Alters, es steckt keinerlei blasiertes Wissen in ihm, er wundert sich, analysiert, grübelt auf seine behäbige Weise über die kleinen Rätsel des Alltags. Fantasiebilder und nüchterne Stimmen: will mich meine Frau wohl umbringen, Unsinn! Und so weiter. Milán Füst hat diese Unsicherheit ausgezeichnet geschaffen. Über das Umfeld, die Städte sagt er nichts, der Mann und die Frau haben Zeit, einander zu beobachten; der Autor hält die beiden Figuren, oder eher jene eine: sein fiktives Selbst, unter reduzierten, experimentellen Bedingungen.

Nehmen wir an, ich bin ein holländischer Schiffskapitän. Größer, stärker, unwiderstehlicher, mutiger als der Autor, der einen kümmerlichen kleinen Taxifahrer gewöhnlich nicht so mir-nichts-dir-nichts erschlägt, wenn dieser ihn mit einer Pistole in der Hand ausnehmen will. Der Kapitän kann jetzt gerade nicht arbeiten, außer in einem ausgezeichneten Kapitel haben wir keine Zeit uns mit Seefahrergeschichten abzugeben, auch muss kein Gesellschaftsbild beigelegt werden, denn der Kapitän ist in den Großstädten nur auf der Durchreise und vorübergehend, außer seiner Ehefrau kennt er niemanden. Der Meister richtet das Vergrößerungsglas auf die detektivische Frage, ob Lizzy treu ist oder nicht, und lässt den Leser durchweg im Ungewissen. Am Ende des Romans werden wir uns des ursprünglichen Verdachts sicherer, dass sie treu war, in der Art Milán Füsts vergießen wir sogar noch eine Träne über dem Schicksal der armen, verkannten Lizzy, doch werden wir selbst auch die Zweifel Kapitän Störrs nicht los: War diese Lizzy nicht vielleicht doch eher flatterhaft?

Wir können, natürlich, auch leben, ohne es zu erfahren. Was erwarten wir dann von diesem langen Buch? Dass es uns gelingt, Kapitän Störr zu werden und ihm in seinen Grübeleien zu folgen, in seinem humorvollen Staunen, seinen bescheidenen Abenteuern. Der Autor hatte keine andere Ambition, als die erste Liebe und das Drumherum mit dem Herzen eines verliebten Mannes zu erleben.

Die früheren Romane verweilten lange bei dem Abschnitt der Liebe, der bis zum Bett andauert; und dort endete der Roman dann meist. Bis dahin lautete die romanhafte Frage: Wird es zur Ehe kommen oder nicht? „Die Geschichte meiner Frau“ beginnt danach. Welche andere beunruhigende Frage sollte sich nun bereits, in der Ehe, anbieten als: Soll ich sie betrügen oder nicht, betrügt sie mich oder nicht? Der Weg bis zum Bett und von dort vielleicht zu einem anderen Bett. Die Romanautoren folgen den Wanderern der Liebe auf ihrem Weg.

Vermutlich hat es noch kein Paar gegeben, das nichts von der dem Menschen entspringenden Unsicherheit gespürt hätte, dass unsere Liebste doch nicht uns gehört, und obwohl wir sie hier in der Hand halten, ist sie in Wirklichkeit vielleicht doch weit weg von uns. Sieh nur: sie träumt vor sich hin; sicher denkt sie an einen anderen. Die Liebste ist traurig, also liebt sie mich nicht mehr.

Da ich noch keinen Menschen gesehen habe, der nicht durch die Eifersucht verletzlich gewesen wäre, empfehle ich dem Leser diesen Roman als Reiseführer, doch nicht für Paris und auch nicht für London, sondern für seine eigene Ehe, denn diese vibrierende Ungewissheit ist das Thema des Romans.

Nicht jeder Mann hat Zeit, neben seiner Frau gewissermaßen ein Privatdetektiv zu sein, denn meist haben wir ja auch anderes zu tun: Kapitän Störr aber hat der Autor jeder anderen Verpflichtung entbunden. Jetzt ist er gerade auf keinem Schiff, Geld hat er noch, auch wenn es ihm allmählich ausgeht. Sie sind den ganzen Tag zusammen und sind doch nicht zusammen. Kapitän Störr kann sich seiner Sache nie ganz sicher sein. Was seine Stärke ist, ist auch seine Schwäche. Milán Füst führt uns mit diesem Kapitän in die Begeisterung, in die Blamage, in den Wunsch zu töten und in Äußerungen unglaublicher Zärtlichkeit.

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Es bereichert uns, diesem Kapitän zu folgen, er beschreibt seine Lebenslagen derart treffend und ständig spricht er uns in seiner behäbigen Art an. Was diesem Erzähler-Kapitän durch den Kopf geht, das plappert er vor den anderen Darstellern nicht sofort aus, doch vor uns, den Lesern, hält er es nicht geheim.

Milán Füst ändert unseren Blickwinkel in einem raschen Nacheinander. Mit künstlerisch-emotionalen Wendungen der gesprochenen Rede macht er die Stimme des inneren Monologs noch dynamischer. Diesem Kapitän fällt immer etwas ein. Zu allem hat er recht geistreiche innere Bemerkungen, doch geht es um eine durchgefeierte Nacht oder einen Mord oder etwa berauschte Spaziergänge in Parks und auf Friedhöfen, Milán Füst tut, was er zu tun hat.

Der Meister folgt seinen eigenen ästhetischen Erkenntnissen. In lebendigem Rhythmus, listig wechselt er zwischen Zusammenfassung und „darstellendem Geständnissen“, das heißt, zwischen dem kurzen Erzählen langer Zeitabschnitte beziehungsweise dem langen Erzählen kurzer Zeitabschnitte.

Die ein wenig manierierte Prosa Milán Füsts ist mitreißend, strömt, fließt und wogt. Hinein und hinaus, fort und zurück. Der rhythmische Wechsel von Stimmen und Ebenen der Sichtweise verweist darauf, dass der Autor wilde Gegensätze in sich birgt, der Sprache der Empathie und des trostlosen Nichts mächtig ist, er kann überaus mitfühlend und kann überaus grausam sein.

Kapitän Störr ist ein Mann ohne Illusionen, doch bei seinem einzigen wahren Abenteuer, wissen zu wollen, was sich in seiner Frau verbirgt, ist er derart frisch, staunend, leidend und neugierig, dass wir seine Gesellschaft lieben lernen. Gerne würden wir an der Seite von Kapitän Störr auf die Theke gestützt einen Kurzen trinken. Wenn ich ihm auch nie wieder begegne, so werde ich mich doch an ihn erinnern. Wenn du dich auch an einen tüchtigen Kerl erinnern willst, der, obschon er kein bisschen dumm, doch ein großer Esel war und die beste Sache, die er vom Leben bekommen konnte, zerstört hat, weil er Angst hatte, sie könnte vielleicht doch nicht wirklich ihm gehören, wenn du dir eine derart banale Geschichte so anhören willst, dass du dabei den Erzähler in dein Herz schließt, dann lies die Aufzeichnungen Kapitän Störrs von seiner Frau.

Aus dem Ungarischen von Eva Zádor